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Preise gehen 2023 auf Talfahrt
Ein hohes Angebot bei schwacher Nachfrage belastete den Milchmarkt zu Beginn von 2023. Die Preise an den Verarbeitungsmärkten gerieten unter Druck und in der Folge auch die Auszahlungsleistungen. Die Stabilisierung ist fragil. Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich Anfang 2023 gegenüber dem Vorjahr nur bedingt geändert. Der Krieg in der Ukraine hält noch an, das Wachstum der Weltwirtschaft ist verhalten und die Kauflaune bei den Verbrauchern ist auf Grund der hohen Inflation eingetrübt. Dies hat, neben dem erhöhten Rohstoffaufkommen, dazu beigetragen, dass sich die Lage am Milchmarkt vollständig gedreht hat.
Die Milchanlieferung ist weiter hoch
Das Milchaufkommen fiel im ersten Halbjahr von 2023 deutlich umfangreicher aus als im Vorjahr, wenn auch der saisonale Anstieg teils etwas gedämpft verlief. Seit dem Überschreiten der Milchspitze geht das Rohstoffaufkommen stetig zurück, die Mengen des Vorjahres werden dennoch weiterhin übertroffen. Allerdings schrumpft der Vorsprung kontinuierlich.
In der zweiten Jahreshälfte, spätestens ab Herbst, könnte sich die Situation jedoch drehen und sich das Rohstoffaufkommen wieder auf dem Vorjahresniveau bewegen. Dafür spricht schon allein der Basiseffekt, da die Milchanlieferung ab September 2022 im Jahresvergleich überproportional gewachsen ist.
An den Verarbeitungsmärkten lagen die Preise im ersten Halbjahr 2023 deutlich unter dem Vorjahresniveau, teils haben sie sich halbiert. Allerdings hatten sie im Jahr 2022 auch neue Allzeithochs erreicht. Je nach Produkt sind die Preise auf das Niveau von 2021 zurückgefallen. Dies war insbesondere bei Rahm und Milchpulver der Fall. Molkenpulver, Magermilchkonzentrat und Magermilch wurden sogar zu niedrigeren Konditionen als vor zwei Jahren gehandelt. Die Preise für Käse und Butter übertrafen zwar das Niveau von 2021, gaben aber gegenüber den ersten sechs Monaten von 2022 zwischen 20 % und 36 % nach.
Kurswechsel oder Verschnaufpause?
Im Verlauf des ersten Halbjahres verlor der Preisrückgang an Dynamik und kam im Mai sowie Anfang Juni bei nahezu allen Produkten zum Stillstand. Der ife-Rohstoffwert, ermittelt aus der Verwertung von Butter und Magermilchpulver, stieg erstmals leicht an, nachdem er zwölf Monate lang nahezu durchgängig nachgegeben hatte. Er gilt als Frühindikator und könnte auf einen Kurswechsel bei den Erzeugerpreisen hindeuten. Voraussetzung dafür ist, dass die Lage mindestens stabil bleibt. Dafür spricht, dass in der zweiten Jahreshälfte das Angebot saisonal abnimmt. Allerdings wurde die zusätzlich anfallende Milch vermehrt zu Butter und Magermilchpulver verarbeitet. Es bildeten sich Bestände, die sich auf dem Weg zurück in den Markt oftmals als preisdämpfend erwiesen. Im Wechsel von Juni auf Juli tendierten die Märkte für Pulver und Butter erneut schwächer, was wiederum in der Ferienzeit nicht ungewöhnlich ist.
Einen Wermutstropfen für die Milcherzeuger stellen die Anfang Juni abgesenkten Molkereiabgabepreise für Trinkmilch und andere Frischprodukte an den Lebensmitteleinzelhandel dar. Dadurch wird die Gesamtverwertung der Molkereien nochmals gesenkt. Auf der anderen Seite könnten die reduzierten Verbraucherpreise dazu beitragen, die private Nachfrage wieder anzukurbeln. Inflationsbedingt war diese in den ersten Monaten des laufenden Jahres rückläufig. Die Erzeugerpreise bilden zeitverzögert die Entwicklungen an den Produktmärkten ab. Zunächst werden daher die abgesenkten Molkereiabgabepreise zu weiteren Rücknahmen führen.
Den preislichen Erwartungen an der Warenterminbörse der EEX in Leipzig folgend, zeichnete sich im zweiten Quartal eine leichte Erholung Richtung Herbst und Winter ab, die allerdings zu Beginn der zweiten Jahreshälfte einen Dämpfer erhielt. Ausschlaggebend für den weiteren Verlauf wird sein, ob die Nachfrage wieder an Schwung gewinnt. Dem steht einerseits eine schwächelnde Weltwirtschaft entgegen. Andererseits gehen von den gesunkenen Preisniveaus Kaufanreize aus und Ware aus der EU ist am Weltmarkt wieder wettbewerbsfähiger.
Wann treten die Bauern auf die Bremse?
Zieht die Nachfrage nach Milchprodukten nicht an, müsste das Rohstoffangebot abnehmen. Die Erfahrungen vergangener Jahre zeigen jedoch, dass sich sinkende Erzeugerpreise erst mit einer vergleichsweise langen zeitlichen Verzögerung dämpfend auf die Milchproduktion auswirken. Allerdings sprechen auch Gründe dafür, dass dies im laufenden Jahr schneller erfolgen könnte, da das Wachstum des Milchaufkommens im vergangenen Jahr vor allem auf Mitnahmeeffekte zurückzuführen sein dürfte.
Je nach Verlauf schätzt die AMI für konventionell erzeugte Kuhmilch nach dem amtlichen Standard für 2023 einen Jahresschnitt zwischen 43 bis 46 ct/kg. Das wäre im langfristigen Vergleich überdurchschnittlich.
Preisvergleich: So rechnet die AMI
Alle Preisangaben beim AMI-Milchpreisvergleich beziehen sich, soweit nicht anders vermerkt, auf gentechnikfrei erzeugte Milch mit 4,2 % Fett und 3,4 % Eiweiß sowie eine Jahresanlieferung von 500 t.
Die AMI-Experten unterscheiden konventionell, gentechnikfrei und ökologisch erzeugte Milch, ebenso wie Weide-, Heu-, Bergbauern- oder Tierwohlmilch. In den ausgewiesenen Preisen für Milcharten mit besonderen Anforderungen an die Erzeugung sind die dafür gezahlten Zuschläge in voller Höhe enthalten. Anders verhält es sich mit Zuschlägen für Nachhaltigkeitsprogramme. Hier ist der durchschnittlich gezahlte Zuschlag für Nachhaltigkeit im Preis berücksichtigt.
Quelle: Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt Dr. Kerstin Keunecke, AMI